MUSIKLEBEN

“Klassische Musik entsteht aus konzentrierter Stille”

Seit ich mich mit ihr beschäftige, steht “Klassische Musik” im Zentrum meines musikalischen Lebens. Sie hat mich geprägt und fasziniert mich bis heute mit ihrer Vielfalt, ihren Entwicklungen als Reaktion auf die jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Lebenswirklichkeiten und der unbeschränkten Möglichkeiten ihrer Interpretation aus der jeweils aktuellen Sicht der Dinge.

Ich bin fasziniert von der großen emotionalen Tiefe dieser Musik, die sich aus einer über Jahrhunderte praktizierten theoretischen Beschäftigung mit den jeweils modernsten Kompositionen und der daraus folgenden Suche nach immer neuen Ausdrucksformen entwickelt hat und sich auch in Zukunft weiterentwickeln wird.

Aus zahlreichen eigenen Überlegungen und lebhaften Diskussionen mit anderen sind Thesen entstanden, die ich hier zur Diskussion stellen möchte:

  • Der Begriff “Klassische Musik” ist mehrdeutig. Er umfasst für mich schriftlich niedergelegte Musik, die aus der Kenntnis der schon vorhandenen Musik und ihrer theoretischen Grundlagen neue kreative Ideen entwickelt und diese in einem rationalen Kompositionsprozess in formale Strukturen bindet, die so gebaut sind, dass sie ausübenden Musikern und Publikum Raum für emotionalen Zugang bieten.
  • Der Zugang zu dieser Musik erfordert nicht nur vom Komponisten und ausübenden Musiker, sondern auch vom Zuhörer die Bereitschaft, sich sowohl emotional als auch rational mit der Musik und ihren Hintergründen auseinanderzusetzen.
  • “Klassische Musik” ist nicht “bessere” Musik, sie erfordert lediglich andere Zugangsweisen: die konzentrierte Zuwendung unter Zurücknahme der eigenen Person. Das ist eine Erlebnisdimension, die aus dem Alltag herausführt und eine große innere Kraft vermitteln kann.
  • “Klassische Musik” entsteht aus konzentrierter Stille und endet in konzentrierter Stille, bis sich die Konzentration in Beifall entlädt.
  • “Klassische Musik” war bisher und wird auch in Zukunft Musik für eine Minderheit sein, die in einer auf Mehrheitsbildung orientierten demokratischen Gesellschaft besonderer Unterstützung bedarf.